Ausgerechnet in der kalten Jahreszeit zieht es meine Frau und mich nach Dänemark. Hinauf in den atlantischen Norden Jütlands nach Thy.
Dort ruht das Ferien- und Fischerdorf Vorupör in der totalen Nicht-Saison. Leere Schotterpisten strecken sich schnurgerade bis zum Horizont. Zwischen Heidegras und Tannen gekuschelt dösen die Holzhäuser. Eines davon gehört für eine Woche uns. Die Sauna vorheizen und sich umschlossen fühlen - von der weiten, verlockenden Landschaft des Nationalparks Thy. Und das ist der Clou hier im Winter: Man freut sich genauso riesig, das Haus zu verlassen, wie es zu betreten.
Eine seltene Hochdrucklage beschert uns am windigen Ende Jütlands die totale Windstille. In Lyngby, dem wohl abgeschiedensten Ort des Landes, bedeutet Windstille eine absolute Stille. Stundenlang keine Menschenseele. Kein Geräusch - weder Autos noch entferntes Hundegebell. Als ob man in einer schalldichten Materie läuft, die alle Außengeräusche schluckt, hört man ausschließlich sich selbst. Laut raschelnd reibt die Winterkleidung und dumpf dröhnt der hart gefrorenen Boden unter unseren Schritten durch das weite Grasland. Stehenbleiben und nichts hören außer das Knacken des Eises, das unter der wärmenden Sonne in Spannung gerät. Die Lyngby Heide ist wie ein Stück Tundra oder Prärie.
An einem Bachlauf in einer geschützten Rinne wächst ein Wald so dicht ans Meer heran, wie sonst nirgendwo in Thy. Windgebeugt und zerzaust krallen sich hier neben Nadelgewächsen auch ein paar Eichen in den Boden. Hundert Jahre alt, doch nur mannshoch. Kurz vor der letzten Düne harren noch einige buschartige Bäume und dann ist Schluss - Baumgrenze, windbedingt.
Kurz hinter dem Eingang zum Skaggerag bei Hanstholm streut sich ein gutes Dutzend Bunker in der Brandung der Bucht von Vigsö. Einstmals Teil des Atlantikwalls trotzen sie bis heute der Abrissbirne und zeugen so weiterhin vom Zweiten Weltkrieg. Für sich genommen sind Bunker häßlich. Doch finde ich es schön zu sehen, wie die Natur sie mit sanfter Kraft umspielt und langsam zu sich zieht. Bis sie irgendwann versinken.
... tschüß Thy!
zu einer weiteren Fotogalerie von Cold Hawaii in Thy im September