Strandurlaub in Holguin

Frankfurt - Holguin, das heißt 9 Stunden eingeklemmt sein zwischen pervers engen Sitzreihen und die Zeit vergeht verdammtnochmal nicht "wie im Fluge".

Dann endlich 2 große Inseln in Sicht. Das da hinten muss Haiti sein und unter uns das Zielgebiet.

 

Am Boden empfängt uns Fidel Castro - überlebensgroß und ein rotes Grafitti:

"Sozialismus oder Tod".

Ist das eine Frage oder ein Befehl? So oder so fehlt mir bei "Sozialismus oder Tod" mindestens eine Alternative. Vielen Kubanern fehlt sie auch und so haben sie ihre eigene Antwort auf diesen Kampfspruch gefunden, indem sie ihn umwandeln in: "Miami o Muerte" und damit in See stechen.

 

Tja, willkommen in Kuba, dem letzten realsozialistischem Land der Welt.

 

Das wahre Kuba

 

Man sagt, die Kubaner seien eingesperrt im eigenen Land. Aus Solidarität lassen wir uns auch gleich einsperren  - in ein 4 Sterne-Hotelressort all inclusive. Hier ist alles inklusive, nur nicht das "wahre Kuba". Dieses kostet 80 CUC extra heißt "Cuba-inside" und beinhaltet eine geführte Bustour übers Land und zu den Leuten.

Statt 'Kuba inside' entscheiden wir uns für Kuba-Libre inside, schütten lieber 2 kostenlose Rum-Cola in uns hinein und sind schnell so hellblau wie der Ozean zu unseren Füßen. Der Barkeeper hat Humor: "Wir Kubaner nennen das 'Mucho Kuba - poco Libre' wenn du die Mischung mit viel Rum und wenig Cola machst" Guter Witz haha! "Mojitos sind leider aus, denn es fehlt an Minze" - leider kein Witz. Na dann nochmal mucho kuba u.s.w.

Übrigens finden wir 'Kuba im Glas' ist eine prima Exkursion für den Anfang.

 

 

Der wohl schönste Palmenstrand an Kubas Ostküste (Playa Esmeralda) gehört definitiv nicht zum wahren Kuba. Er gehört uns. Für seine Exclusivität haben wir bezahlt und sind bei einem Traumwetter unterwegs mit dem Treetboot zum Korallenriff, um dort zu schnorcheln. Oh ja das Riff. Es war einer der Gründe, uns für dieses Ressort zu entscheiden.

 

 

Der Wind frischt auf und es wird uns zu wackelig in der Nussschale, wir kehren um, haben ja noch viele Tage Zeit, so häufig und ausgiebig am Korallenriff zu schnorcheln wie wir wollen. Wie hätte man zu diesem Zeitpunkt ahnen können, dass wir es nie bis zum Riff schaffen werden?

 

 

Wieso eigentlich nicht? Was war passiert?

 

Zuerst ein Unwetter, dann manifestierte sich eine schlechte Witterung, es folgten miese Sichtweiten unter Wasser, schlechte Sicht auch über Wasser und Schnupfen am Frühstückstisch. Das Riff blieb höhnisch auf Sichtweite doch für uns unerreichbar. Seine Korallenwälder, die Farbenpracht und Biodiversität für uns unergründlich und verborgen.

Warum ich soviel über das Riff schreibe? Weil das Riff eine prima Metapher für das wahre Kuba abgibt!

Aber es kommt noch schlimmer. Katamaranfahrt abgesagt, die Straßen ins Land sind unpassierbar, Cuba inside gecancelt, Halsentzündung bei Suse und mit zwei Trainingsjacken übereinander stecken wir in der einzig geöffneten Hotelbar fest. Dieses an den Seiten offene Bauwerk ist so geschickt konstruiert, dass es die Zugluft wie in einem Winkanal verstärkt und feinste Regentropfen als horizontale Nadelgeschosse auch in die hintersten Winkel des Raumes lenkt.

 

In der Tageszeitung lese ich, dass gerade 16.ooo Kubaner dieser Provinz evakuiert werden wegen Überschwemmungen und vor meiner Nase brüllt einer dieser besoffenen Marschmellowmänner aus Kanada laut "Bingo", rennt raus in den Regen und setzt unter Gejohle und in Klamotten eine Arschbombe in den verwaisten Pool. Dauerregen, Rum und Tagesanimation treiben die Touristen langsam in den Wahnsinn. Kuba mag ja ein armes, geplagtes Land sein, aber eins steht für uns fest: das wahre Elend erlebst du unter dem Dach dieser Hotelbar. Wieso evakuiert uns keiner?

Wäre mir in diesem Moment der Teufel mit einem Vertrag erschienen wonach ich niemals den wahren Charakter und fremden Zauber dieses Landes erleben werde, dafür aber wenigstens das, was die geschönten Hotelprospekte und Reiseführer so plakativ anpreisen ... oh ich hätte wohl unterschrieben.

An diesem Punkt stellte ich mir und allen anderen die 16.000 Euro Frage: Warum ausgerechnet Kuba als Reiseziel?

 

a) wegen der tollen kubanischen Live-Musik

b) wegen der lebenslustigen, freundlichen Einwohner, die uns mit einem relaxten Tropenfeeling infizieren

c) wegen karibischer Sonne pur und endlosen Traumstränden

d) weil hier keine US-Amerikaner sind, die nur billig saufen wollen

Alle Antworten sind richtig, aber reines Wunschdenken. Die Realität in einem Hotelressort im November sieht anders aus, keine tolle Livemusik, keine lachenden Kubaner, kein Sonne, kein Tropenfeeling. Nur die Amis gibt es tatsächlich nicht, dafür scharenweise Kanadier, für die Kuba so etwas wie der Ballermann ist.

 

Wir hatten uns verspekuliert, mit dem Wetter, dem abgelegenen Ressort, mit Kuba. Suse und ich schwören beim Barte von Fidel Castro, nie wieder eine Pauschalreise zu buchen.


Informationen zum Klima im Winter

 

Kuba hat kein einheitliches Klima.

Im Nordwesten (Havanna, Varadero) ist es im Winter oft zu kalt für einen Badeurlaub.

Im Osten ist es auch im Dezember warm genug, aber feucht.

Im Südosten um Santiago de Cuba herrscht ganzjährig eine schwüle Hitze.

 

Die Hurricane Saison endet zwar im Oktober, aber tropische Sturmtiefs bis weit in den Winter hinein sind nicht unüblich.


Erzähl mir von Kuba

Salzwasser gurgeln, nach vorne schauen.

 

Unsere Hoffnung hat nun einen Namen - Havanna. Vier Tage in der quirligen Metropole, wo es von Kubanern nur so wimmeln wird, soll diesem Urlaub einen Sinn geben. Bis unser Flieger startet (die Flugtickets nach Havanna, in Deutschland bezahlt sind allerdings nicht da und wir werden sie auch niemals erhalten) also bis dahin bitten wir die Leute - kubanische Hotelangestellte und Touristen, die übers Land gereist sind, uns von Kuba zu erzählen. Ich zitiere mal sinngemäß.

 

Ein Kanadier mit Zigarre und Rum-Cola:

"Wir waren schon 8 mal in Kuba und kennen Verschiedenes."..."Nein, in Havanna noch nicht. Wir kennen vor allem die Hotels und Strände. Einmal hatten wir auch einen Tagesausflug, aber ich weiss jetzt nicht mehr wohin."

 

Der Aufpasser vom Spa-Bereich:

"Havanna? Naja, da war ich schon einmal. (gesenkter Kopf). Für euch mit Devisen ist es sicher schön dort, aber nicht für mich." (deprimierter Blick). "Die Live-Show nacher würde ich mir gerne anschauen. Ich stelle mich nachher an den Ausgang und kann vielleicht ein bisschen mithören"  

Wir geben 1 CUC.

 

Zwei pensionierte Lehrerinnen aus Hannover:

"Wir verstehen nicht, wie man seinen ganzen Urlaub hier im Hotel und am Strand verbringen kann. So etwas finden wir ja, mit Verlaub gesagt, total armseelig. Also wir machen ja eine Busrundreise." (arroganter Blick von oben herab)

 

Die drei Musiker der Band für die Live-Show:

"Bringt uns doch bitte ein paar Bier. Ihr kriegt hier alles umsonst und wir spielen den ganzen Abend für euch und bekommen nichts zu trinken (wachsam um sich blickend). Aber wir müssen aufpassen, dass der Typ vom Spa Bereich uns nicht sieht, der hat uns schonmal verpetzt. "

Wir holen drei Bier.

 

Ein Berliner:

"Havanna? Ohh, hör mir uff, sowat haste noch nich jesehn, dit is ja sowatt von traurig, allet japutt!" (bestürztes Kopfschütteln)

 

Eine Touristin, die die 'Cuba inside' Tour mitgemacht hat:

"Da ist der ganze Dorfplatz voll mit Leuten, die hängen da den ganzen Tag über rum, keener geht zur Arbeit! Na die kriegen ja och nischt für ihr Geld hier. Un in diesem Peso-Laden! ... Nischt! Een paar Tüden Reis un so Speiseöl ... un sonst gibts da Jarnischt!"

Ein Aufpasser vom Strand:

"Das Auge des Hurricanes war 40 Kilometer groß. Man konnte die Sterne sehen. Die zweite Welle war am dann schlimmsten. 250 Km/h Windgeschwindigkeit und das Wasser kam bis da vorne an das Hotel ran. Hier im Hotel hatten wir noch Glück. Nur der Strand ist jetzt nicht mehr ganz so schön wie vorher."

 

Ein Tourist aus Halle:

"Die pumpen von diesem venezuelanische Tanker das Erdöl, das die von diesem Chavez aus Venezuela kriegen, in ihre Anlage dahinten um damit ihren Strom zu produzieren. Das ist vom Wirkungsgrad eene totale Verschwendung!" (Kopfschüttel) Und habt ihr den Haarföhn in eurem Zimmer gesehn? Modell aus Italien von 1974, da waren mal für kurze Zeit die Sozialisten in Rom an der Macht.

 

Der Barkeeper:

"Es gibt im Moment keine Minze für den Mojito, weil der Hurricane alles vernichtet hat"..."In meinem Ort sind fast alle Häuser zerstört worden" ... "Nein, mein Haus hat immer noch kein Dach, es gibt fast keine Baustoffe (glasiger Blick) "

Wir geben ihm fünf CUC und später einen Haufen Klamotten für seine Familie.

Ein Schwabe:

"Isch war joa scho inn ville Ländä von Ladain-Ameriga und fands schei dort. aber hier komme we nisch widde her! Du haschst ja keen schönes Restaurant, mit Usblick odde so, wo de ma anhalde kannscht unn Kaffee dringe. Nur so olle Tangstelle ham die!" (kopfschüttel)

 

Luis der Kutscher:

"Nein die Kutsche gehört dem Unternehmen, wo wir alle angestellt sind"..."Die Kühe gehören alle dem Staat" ... "Rindfleisch? Niemals. In Kuba sind die Kühe nur zum Milchgeben, für die Kinder." (er lächelt) "...aber vor dem Hurricane war es noch schöner hier. Kein Baum mehr, der höher als sechs Meter misst."..."Doch das Pferd kriegt zu essen, das ist die Rasse, die sind so dünn."

 

Eine Frau aus Sachsen:

Als wir am Ende ganz allein im Bus waren, der Aufpasser war schon ausgestiegen, da konnte der Busfahrer mal reden. Maximal zehn Jahre gibt er dem System hier noch, dann sind die alten Zöppe weg (verschwörerischer Blick). Die Hardliner, die die Revolution noch erlebt haben, werden ja immer weniger.

Wir zur Bedienung:

"Es tut uns so leid, sagen Sie dem Koch er soll das Rindfleisch länger auf dem Rost lassen, das hier ist innen noch total roh, ist ja soo schade drum" (ernster Blick)

 

Wladimir von Tui:

"Tut mir leid, aber das ist Kuba. Es gibt immer viele Probleme mit die Bezahlung wegen diese Embargo. Also wenn ihr kommt zum Flughafen, dann fragt ihr bei Cubanacan nach Martha. Die hat eure Tickets... keine Angst, das klappt schon."

 

Angestellte von Air-Caribian:

"Martha hat heute frei, aber dafür kommt Vivian"..."ja, die kommt gleich, ihr müsst warten."

 

Vivian von Cubanacan:

"Tickets? Achja, Martha hatte bei mir angerufen, dass Jose bei ihr angerufen hat, der von Wladimir bescheidbekam. Aber ich habe keine Tickets."

(Tränen in Suses Augen) "Bueno, ihr könnt auch ohne Ticket fliegen. Für euren Rückflug fragt ihr Valerie in Havanna, das ist dort eure Tui-Reiseleiterin."

 

Valerie von Tui:

"Das mit dem Embargo ist quatsch, das hat damit nichts zu tun. Der Grund ist, dass Cubanacan die Maschine überbucht hat, das passiert ganz oft. Eure Rückflugtickets hole ich morgen vom Flughafen ... Keine Angst, das klappt schon."


 

Die Tierbilder schoss ich übrigens auf einer Insel, die noch vor Jahren ausschließlich Fidel Castro und seinen Staatsfreunden zum Jagen vorbehalten war (Cayo Saetia). Jetzt dürfen dort Touristen auf Safari gehen, frisches Antilopenfleisch essen und die für eine Karibikinsel erstaunlich exotische Fauna bewundern.


 

 

 

 

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