Die Rosa Granitküste des Tregor und Brehat

Wie in Kalifornien? Aber ja!

In verblüffender Weise ähnelt die Landschaft des Tregor der zwischen San Francisco und Monterey - meint zumindest das amerikanische Pärchen am Cafe-Tisch. Während mir hingegen die Landschaft auf der Hinfahrt von Brest nach Treguier vorkam wie das Münsterland. 

Dieser Widerspruch lässt sich auflösen. Mit einer Weiterfahrt an die Nordküste.

Weil der Tregor als breite Halbinsel in den Ärmelkanal ragt, greift er das wintermilde Seeklima ab. Als Folge funkelt, je weiter nordwärts ich gelange, die Landschaft immer exotischer. Alles blüht und grünt noch üppiger als im Binnenland, subtropische Einsprengsel aus Pinien und Palmen verdichten sich zu einer wildromantischen Idylle. Am Ende windet sich die schmale Küstenstraße über schroffe Bergvorsprünge. An knorrigen Kiefern und Felsfiguren vorbei, eröffnet jede Kurve malerische Ausblicke auf eine kalifornisch anmutende Küstenlandschaft.

Perros Guirec an der Rosa Granitküste des Tregor an der bretonischen Nordküste
Der Küstenort Perros Guirec liegt am vielleicht schönsten Stück der bretonischen Nordküste.

Die Rosa Granitküste verschwimmt im Regen

Künstler verbringen hier ganze Urlaube, um wochenlang sinnestrunken zwischen den rosa Felsen zu wandeln und aus den assoziativen Formen und Farben nach Inspiration zu schöpfen. Ich reserviere mir für die nur 4 Kilometer lange Strecke luxuriös einen ganzen Tag.

Leichter Regen lässt die Surfer von Perros Guirec in weichem Licht über die sanfte Dünung gleiten. Dann gießt es immer stärker. Farben und Formen verschleiern sich zu grauer Suppe. Kaffeetrinken in Ploumanac'h mit dem Blick ins Nichts, wo sonst das märchenhafte Chateau der Ile de Costaeres thront. Eine ambitionierte Patina-Fotografin, mit der ich plaudere, lässt ihre Mittelformatkamera resignierend in die Tasche sinken und kippt sich ein  Bier. Sie sagt, dass es hier aussehen soll wie in Kalifornien - nur schöner. Der Regen bleibt. Also Abbrechen und den Rückweg über den alten Schmugglerpfad in einer Stunde abreißen. Back on the road bricht die Sonne durch.

Die Rosa Granitküste zwischen Perros Guirec und Ploumanac'h
Die Rosa Granitküste zwischen Perros Guirec und Ploumanac'h

In Treguier balanciert man aus Langeweile auf dem Brückenbogen

Ein Frühaufsteher-Stop am dunkelblau glitzernden Jaudy in Treuguier, der Grenzstadt zwischen Münsterland und Kalifornien, wo ich die ersten drei Nächte verbringe. Wie so oft in der Bretagne weiß man hier nicht, ob es sich beim Jaudy eher um einen Fluss oder Meeresarm handelt. Plötzlich, gut 20 Meter über dem Wasser ein Mann auf der Brückenstrebe, der mir was zuruft. Sieht aus, als ob er gleich springt um sich umzubringen. Doch dann trottet er den geschwungenen Bogen hinab. "In Treguier war noch nie viel los", erklärt mir daraufhin meine Wirtin. So sei auch sie zum Zeitvertreib über den Brückenbogen balanciert. Ein tollkühner und gelangweilter Bursche sei einmal sogar mit dem Mofa drüber.

Treguier
Brücke über den Tidefluss Jaudy in Treguier

Die Ile de Brehat ist ein Garten im Meer

Bei strahlender Sonne gleitet die Fähre voll mit Sonntagsausflüglern über die spiegelglatte See zur Ile de Brehat. Hunderte Inselchen und Felsen sprenkeln diesen bizarr-exotischen Archipel, dessen südlicher Teil sich vor Westwinden geschützt in einem warmen Mikroklima sonnt. Über verschlungene Wege bis zur Nordspitze wandern, Picknick und zurück. Brehat ist ein einziger wildromantischer Irrgarten. Ich möchte hier Tage verbringen, morgens mit dem Boot zwischen den Eilanden umherschippern, einsame Buchten ansteuern, mittags in einem palmengesäumten Garten vor einem Natursteinhaus auf dem Rasen liegen, spätnachmittags wenn die Tagestouris fort sind zwischen Felsen und Hügeln wandern, versteckte Winkel entdecken und mit Meerblick Langusten grillen.

Eine Freundin kam aus Paris zum Arbeiten hierher für zwei Jahre. Ich beginne zu verstehen, warum sie danach ganz in die Bretagne zog.

Ile de Brehat

An der Nordspitze von Plougrescant steht das Haus zwischen den Felsen

Statt Restaurant-Gehocke auf Brehat nur eine Cola im Gehen. Lieber noch raus düsen zur nördlichsten Festlandspitze - der Halbinsel Plougrescant. Hinter dem wohl meist fotografierten Haus der Bretagne brodelt der „Schlund“ (La Gouffre). Selbst bei der ruhigen See an diesem Spätnachmittag schäumt es um die gezackten Felsen. Dieses Lands End wirkt durch die scharfkantigen, bizarren Felsstürze an seiner äußersten, vom tosenden Meer zerfressenen Spitze rauer, wüster und wilder als Brehat und die Rosa Granitküste. Wanderwege, die für ganze Tagestouren gut sind, enden in den Felsen. Dort mutig weiterkraxeln, um einen herum das Rauschen und die Gischt. 

Plougrescant